Peter Hacks und das Klassische in der Gegenwart
Zwei Autoren teilen sich den deutschen Literaturthron für die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts: Arno Schmidt für die Prosa und Peter Hacks für die Dramatik. Das befand Peter Hacks selbst.
Ist das überbordendes Selbstbewusstsein? Fest steht: Kaum einer verband so virtuos handwerkliche Meisterschaft mit gestochen scharfem Witz und großen Stoffen. Viele der über fünfzig Hacks-Stücke sind große Theatererfolge geworden, kein Dramatiker wurde in den 70er Jahren häufiger auf deutschsprachigen Bühnen gespielt – nicht Max Frisch, nicht Friedrich Dürrenmatt.
Seine Kunst hat Peter Hacks von den Besten gelernt, bezog sich immer wieder auf Heine, Goethe, Shakespeare. So griff er auch viele klassische Werke auf, wobei er der Devise folgte: Eine Überarbeitung ist nur legitim, wenn dem Original etwas fehlt, und sei es die Spielbarkeit für das gegenwärtige Publikum. Oder, anders gesagt: »Klassiker sind heilig. Man darf sie nur verändern, wenn man sie verbessert.«
Johann Wolfgang von Goethes »Das Jahrmarktsfest zu Plundersweilern« beispielweise benötigte laut Hacks »mehr Spaß, also mehr Ernst«. Deshalb arbeitete Hacks es so weitreichend um, dass am Ende eine eigenständige Harlekinade über das schwierige Verhältnis von Kunst, Macht und Volk entstand.
Kurz darauf widmete sich Hacks noch einmal Goethe, diesmal der Dichterpersönlichkeit selbst, die in »Ein Gespräch im Hause Stein über den abwesenden Herrn von Goethe« gleichwohl gar nicht auftritt. Das Stück basiert auf dem Gedanken, dass Goethe und Charlotte von Stein nichts verband außer der Liebe – die letztlich nicht einmal Liebe zueinander war. Kein gemeinsames Drama, sondern zwei Monodramen, die Goethe beflügelten, aber die Stein zerrütteten. Wie Hacks aus dieser Idee ein Stück über das Verhältnis zwischen Autor und Publikum, Genie und Mittelmaß machte, ist meisterhaft, lehrreich und so unterhaltsam, wie große Kunst nur sein kann. Nicht umsonst wurde das »Gespräch« in 25 Ländern inszeniert.
Noch weiter zurück in die Literaturgeschichte, nämlich bis in die Hochphase des antiken Theaters, griff Peter Hacks mit seinen Aristophanes-Adaptionen. »Der Frieden« läutete 1962 für den Dichter die Phase seines größten Erfolgs ein. Frivol und launig zeigte er dem Publikum: Wenn ihr die Welt umkrempeln möchtet, ist es vergebliche Liebesmüh, auf irgendeine höhere Instanz zu warten. Selbst ist der Mann (oder die Frau)! Auch wenn das heißt, dass man auf einem Mistkäfer in den Olymp reitet.
Dieser Optimismus war während der Arbeit am Aristophanischen »Geldgott« 1990/91 deutlich gedämpft: Geld regiert die Welt, und der Versuch, sich in diesem System glücklich einzurichten, ist zum Scheitern verurteilt. Und doch: Das Streben nach individuellem Glück bleibt legitim und der wichtigste Motor für gesellschaftlichen Fortschritt. Ein Credo, das 25 Jahre später unverändert gilt.
Peter Hacks befand einmal, dass ein Klassiker die Tradition nicht verwirft, sondern verbessert. Insofern ist er ein Klassiker par excellence und lesenswerter denn je.